Kepler, Johannes

Aus Daimon

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Johannes Kepler notierte 1609 eine wundersame Traumgeschichte, in der ein Dämon namens Levania (hebräisch Mond) von der Beschaffenheit des Mondes sowie der Reise dorthin berichtet. Der in wenigen Tagen verfasste, etwa zwanzig Seiten umfassende Text, wurde über viele Jahre mit 223 Fußnoten von etwa dreifacher länge ergänzt und erst 1634 postum veröffentlicht. Die frühe Science-Fiction-Geschichte erzählt von dem Jungen Duracotus und seiner Mutter, einer Kräuterhexe, die ihn zu einem isländischen Krater mitnimmt, um an einem Treffen mit Dämonen teilzunehmen. Zu Levania unterhält die Mutter besonders gute Kontakte und der Dämon berichtet in einer "stammelnden und dumpfen Stimme" von der Raumfahrt und vom Leben auf dem Mond. In der den Dämon präzisierenden Fußnote 51 führt Keppler knapp aus: "Die Wissenschaft vom Erscheinen der Sterne, von δαίμων = wissen."[1] Der Dämon steht an der Schwelle zweier Kulturen, zwischen Astrologie und Astronomie, aber vor allem zwischen Phantastik und nüchterner Wissenschaft. Der Dämon des Wissens verbindet diese Sphären und verdeutlicht, dass ohne Spekulation keine Wissensnahme möglich ist. Der Dämon, der seit der Antike für das Unbestimmte stand, wird zum Katalysator für exaktes Wissen. Keplers fiktive Mondbetrachtung antizipiert auf der literarischen Ebene das Science-Fiction-Genre, indem über die Darstellung einer Parallelwelt ein ganz und gar irdisches Problem mit all seinen nicht nur astronomischen Implikationen ausgeführt wird: Wie wir die Bewegung um die Sonne nicht spüren, aber den Mond seine Bahn ziehen sehen, könne ein lunarer Beobachter glauben, der Mond stehe still und die Erde drehe sich. Das von Kepler weiterentwickelte kopernikanische Weltbild sollte dem Leser vertraut gemacht werden, um nicht länger an der Dogmatik einer ruhenden Erde als Zentrum alles Kosmischen und Göttlichen festzuhalten. Der Dämon agiert bei Kepler als Mittler zwischen Welten, außerirdischer und irdischer, aber auch zwischen literarisch-künstlerischer und wissenschaftlicher. Er baut die Brücke zwischen Traum und Wirklichkeit und wie Kepler wusste, war sein Traum realer als das herrschende Bild der Wirklichkeit seiner Zeit.

Einzelnachweise

  1. Johannes Kepler, Der Traum, oder: Mond-Astronomie. Somnium sive Astronomia Lunaris, Berlin 2012, S. 42.