Deimos

Aus Daimon

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Deimos (altgriech. Δεῖμος „Schrecken“, lat. terror) und Phobos (altgriech. Φόβος „Furcht, panische Angst“) sind in der griechischen Mythologie meist gemeinsam auftretende daimones.

In Homers Ilias werden sie als Helfer des Ares vorgestellt, die Furcht und Schrecken unter den Kämpfern vor Troja verbreiten. Deimos stiftet Verwirrung und Phobos treibt die Krieger in die Flucht. Schrecken meint hier vor allem Störung und Verlust von Orientierung und Handlungsmacht, und Furcht bezieht sich auf Flucht aus Affekt und Panik. Es gilt die Annahme, dass Deimos und Phobos Erfindungen Homers sind und der Personifizierung charakterlicher Eigenschaften von Ares dienen.[1] Deimos und Phobos wirken als daimones - wie später bei Sokrates und Platon - im Sinne innerer, psychischer Konzepte, die literarisch zu Allegorien heldenhafter Attribute werden.

Terror und Krieg

In Hesiods Theogonie sind Deimos und Phobos Söhne des Ares und der Aphrodite, wodurch sie ihre Kanonisierung im olympischen Götterstammbaum erhalten.[2] Angst und Schrecken sind mythologisch und militärisch nicht alleine Begleiterscheinungen von Krieg und Terror, sondern vor allem Methode und Strategie. In diesem Sinn operieren Deimos und Phobos bis heute als militärische und terroristische Waffen, die auf Chaos und Kontrollverlust zur Etablierung von Herrschaft oder Machterhalt im Sinne Machiavellis Dämonologik zielen. Aktuelle Waffensysteme wie DEMON (Akronym für Directed Energy Munition) verursachen den unmittelbaren physischen und psychischen Kontrollverlust, indem sie in Menschenmengen Verwirrung und Flucht hervorrufen.

Terror und Kunst

Der Mönch Thích Quảng Đức verbrannte sich aus Protest gegen die Unterdrückung der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit in Vietnam am 11. Juni 1963 in Saigon.
Chris Burden, Shoot, 1971
Stelarc, Sitting/Swaying: Event for Rock Suspension, 1980

In der Poetik des Aristoteles fungieren Schauder (phobos) und Jammer (eleos) als zentrales Moment ästhetischer Erfahrung. Durch das Nacherleben einer Geschichte erfährt der Rezipient eine moralische Lektion durch Katharsis. Schrecken und Terror finden in Theater und Film fiktional im Als-ob-Modus statt, um reale Schlachtfelder und Katastrophen zu substituieren. Das Theater der Grausamkeit von Antonin Artaud entwickelt Katharsis - ohne den Begriff zu verwenden - entscheidend weiter, indem er mit dem aristotelischen Konzept der Nachahmung radikal bricht. Theater imitiert und reproduziert nicht, es realisiert und produziert die Welt in der Welt. Theater und Kunst werden zum Labor, indem nicht Geschichten erzählt, sondern zur Eskalation gebracht werden. Katharsis heißt, Katastrophen experimentell und real vorwegzunehmen, bevor sie im Alltag geschehen: „Da, wo es nach Scheiße riecht, riecht es nach Leben.“[3]

Nach Auschwitz, Kriegen in Korea und Vietnam schien jede Hoffnung auf eine Katharsis der Kunst an ihr Ende gekommen. Die Spiegelneuronen im Zeitalter eines medialen Bilderkriegs gaben sich nicht mehr mit dem Als-ob-Modus der Kunst zufrieden: Kunst wollte brennen, ins Fleisch schneiden und real sein. Wenn alles am Spiel steht, wird der physische Körper zum ontologischen Pfand. Wer nichts zu verlieren hat, opfert seinen Körper und überschreitet die Grenze zwischen dem Symbolischen und Fleischlichen. Das Fleisch des eigenen Körpers brennt bei den Mönchen und wird in der Performance und Body Art zum Material der Kunst. Deimos und Phobos werden zu Begleitern einer Kunst, die sich einem neuen Realismus verschreibt, um die Grenzen des Symbolischen zu sprengen.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hartmut Erbse, Untersuchungen zur Funktion der Götter im homerischen Epos, Berlin/New York 1986, S. 30f.
  2. Hesiod, Theogonie 934. Hesiod nennt Aphrodite Kythereia.
  3. Antonin Artaud, Das Streben nach Fäkalität, in: Schluss mit dem Gottesgericht. Das Theater der Grausamkeit. Letzte Schriften zum Theater, München 1980, S. 15.