Ökonomie
Aus Daimon
(pch Artikel in Arbeit) Die Lehre an der Schule liebt Baumstrukturen, ganz besonders binäre. Vielleicht, weil sie sich so schnell und stark einprägen. Am Beginn vieler Einführungen in die Ökonomik steht, ganz in jenem Sinne, diese Unterscheidung: Es gibt freie Güter und wirtschaftliche Güter. Aus dem kurzen Satz ergibt sich die prägnante Definition: Wirtschaft ist die Zuordnung von Gütern zu Nutzen, im Speziellen, die Aufteilung knapper Güter auf die Befriedigung grenzenloser Bedürfnisse. Mir gefällt dieses Bild der Menschheit: unersättliche Wesen, die kein Genug kennen. Es zeigt ein pralles Leben, dauerhaft zwischen Allianzen und Rivalitäten oszillierend, im Gegensatz zu dem, was man auf den ersten Blick, wegen der Aussage über Knappheit, meinen könnte.
In den Wirtschaftswissenschaften heißt diese Zuordnung oder Aufteilung Allokation. Wegen der grundsätzlichen Ressourcenknappheit ist sie ein Optimierungsproblem. Was für den einen Nutzen in Verwendung ist fehlt den anderen. An sich ist das gar nicht so weit weg von dem, was es heißt, wenn man im Alltag beiläufig das Verb „haushalten“ gebraucht: Seine Kräfte einteilen, seine Zeit einteilen, seine Ressourcen eben. So weit sieht Wirtschaft sehr nach einem Vorgang aus, etwas das stattfindet. Die Güter selber sind es jedenfalls nicht. Im kleinen Kreis sind es am ehesten die Leute, Regeln, was auch immer, die entscheiden, was wofür verwendet wird. Ich muss sie fast die „Wirte“ nennen. Genau so, wie es in jeder Wirtschaft, ein altes Wort für Haushalt, neben Mägden und Knechten, dem Gesinde, eine Wirtin und einen Wirten gegeben hat, alte Wörter für Hausherr und Hausfrau.
Das ist nun wirklich ein zu enger Begriff und überhaupt nicht alltagstauglich, weil unter Wirtschaft ja um ganze Ordnungen größere Zusammenhänge fallen. Für die Betriebswirtschaft mag das vielleicht noch angehen, aber wie steht es um die Volkswirtschaft? Aber auch die Betriebe, wenn ein Haushalt sich noch dem Rest der Welt verschließen möchte, so können jene das nicht, und sind ohne eine Öffnung zu dieser gar nicht denkbar.
Analytisch geht es von hier nicht weiter. Ein Bruch muss her, ein neues Wort. Das Zauberwort heißt „Markt“. In der Volkswirtschaft überlässt man die Aufgabe der Allokation dem (Wirt) Markt. Der Bruch ist gar nicht so tief, der Markt eine ebenso alte Sache, von der alle eine Vorstellung besitzen. Auch wenn niemand genau weiß, wer dort der Wirt ist, der sich alles ausdenkt und bestimmt, wie es zu geschehen habe. Das ist eine räumliche Vorstellung, gebunden an den Marktplatz, den Ort, an dem Handel stattfindet. Man kennt das, es ist historisch gewachsen.
Ende des 18ten Jahrhunderts begann man an Theorien zu arbeiten, die dem Markt ein rationales Verhalten unterstellen. Wenn man rationales Denken, so versteht, dass es aus dem Wissen über Zwecke und Mittel die geeigneten Mittel für den vorliegenden Zweck finden hilft, dann lässt sich das Streben nach Rationalität sogar in der anfänglichen Unterscheidung wieder finden: Mittel a.k.a Ressourcen beziehen sich dort auf Zwecke, a.k.a Bedürfnisse und Nutzen. Freilich steht die Analogie auf wackeligen Beinen. Dass der Markt denselben Regeln folgt wie der Verstand, nämlich der Vernunft, das muss erst gezeigt werden. Die von Adam Smith beigezogene Unsichtbare Hand soll dafür einstehen. Das zieht sich bis in die Gegenwart so hin. Es folgten jede Menge Gleichgewichts-, Effizienztheorien etc. Die Ökonomik ist von dem Drang zur Rationalität ganz durchdrungen.
Nicht uninteressant scheint mir plötzlich die Frage, ob es da nicht in die andere Richtung eine Verbindung gibt, dass die Vernunft nämlich selbst weniger rational, als ökonomisch tickt. Ich muss das vorerst offen lassen, weil das so schön zu etwas überleitet, das dem zum Verwechseln ähnelt.
Mitte des 20sten Jahrhunderts, ich stelle das einmal so hin und kann nicht ausführlich recherchieren, wie es dazu gekommen ist, bin mir aber recht sicher, dass es gar nicht so weit zurück reicht, hat sich eine Vorstellung von Rationalität gefestigt, die starken Einfluss auf die Ökonomik haben sollte. Am deutlichsten lässt sie sich an Strömungen in der Spieltheorie ablesen. Rational sein heiße, stets auf seinen Vorteil bedacht sein, auch wenn sich der nur auf Kosten anderer verwirklichen lässt. Wenn sich alle aber so verhalten, dann brauche das trotzdem nicht im Chaos enden, sondern könne auch in ein sogenanntes Nash-Gleichgewicht übergehen. Mehr oder weniger wird so die, doch ein wenig an ein überirdisches Wesen erinnernde und sehr wahrscheinlich auch so verstandene, Unsichtbare Hand durch ein gänzlich gesichtsloses mathematisches Modell ersetzt.
Zur Erläuterung das Gefangenendilemma: „Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Beide Gefangene werden in getrennten Räumen verhört und haben keine Möglichkeit, sich zu beraten bzw. ihr Verhalten abzustimmen. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt sechs Jahre. Wenn die Gefangenen sich entscheiden zu schweigen (Kooperation), werden beide wegen kleinerer Delikte zu je zwei Jahren Haft verurteilt. Gestehen jedoch beide die Tat (Defektion), erwartet beide eine Gefängnisstrafe, wegen der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden jedoch nicht die Höchststrafe, sondern lediglich von vier Jahren. Gesteht nur einer (Defektion) und der andere schweigt (Kooperation), bekommt der erste als Kronzeuge eine symbolische einjährige Bewährungsstrafe und der andere bekommt die Höchststrafe von sechs Jahren.“ (Zitat aus Wikipedia) Das Nash-Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn beide einander belasten, weil das für jeden Einzelnen aus seiner begrenzten Sicht das Klügste ist, obwohl es in Wirklichkeit das Beste für den Staatsanwalt ist. Experimentell übrigens wählen die meisten Kooperation.
Wenn ich nun meine, dem Begriff Genüge getan zu haben, dann soll es nicht danach aussehen, dass ich die Wirtschaftswissenschaften ganz im Schatten von Adam Smith und John Nash stehend sehe. Ich denke nur, dass an diesem Punkt Grundlagen da sind, damit sich ein paar Fragen stellen lassen, die die verschiedenen Auffassungen von Wirtschaft betreffen, denen man im Alltag so begegnet…