Ironie

Aus Daimon

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In Die Theorie des Romans beschreibt Georg Lukács die Ironie als ein dämonisches Prinzip, das den Dämon im Subjekt als "metasubjektive Wesenheit" begreift. Das Dämonische zeigt sich im Ironischen nicht als Instanz der Unterwerfung, sondern als Möglichkeit der Befreiung und Emanzipation gegenüber existentiellen Widrigkeiten und Verblendungen. In diesem Sinn wird die Ironie nach Lukács zur "Objektivität des Romans". Der Dämon der Ironie verleiht das Potential die Wirklichkeit zu hinterfragen und wird zum Agenten der Reflexion und Aufklärung von Existenzweisen: "Die Psychologie des Romanhelden ist das Wirksamkeitsgebiet des Dämonischen. Das biologische und soziologische Leben hat eine tiefe Neigung, in seiner eigenen Immanenz zu verharren: die Menschen wollen bloß leben und die Gebilde wollen unangetastet bleiben; und die Ferne und die Abwesenheit des wirkenden Gottes würde der Trägheit und der Selbstgenügsamkeit dieses still verfaulenden Lebens die Alleinherrschaft verleihen, wenn die Menschen nicht manchmal, von der Macht des Dämons ergriffen, in grundloser und nicht begründbarer Weise über sich hinausgingen und alle psychologischen und soziologischen Grundlagen ihres Daseins kündigten. Dann enthüllt sich plötzlich das Gottverlassene der Welt als Substanzlosigkeit, als irrationale Mischung von Dichtigkeit und Durchdringbarkeit: was früher als das Feste erschien, zerfällt wie vertrockneter Lehm bei der Berührung des vom Dämon Besessenen und eine leere Durchsichtigkeit, hinter der lockende Landschaften sichtbar waren, wird auf einmal zur Glaswand, an der man sich vergeblich und verständnislos - wie die Biene am Fenster - abquält, ohne durchbrechen zu können, ohne selbst zur Erkenntnis gelangen zu können, daß es hier keinen Weg gibt."[1] Die ursprüngliche Bedeutung von Ironie - altgriechisch εἰρωνεία eirōneía, wörtlich „Verstellung, Vortäuschung“ - erfährt über das Dämonische bei Lukács eine Umdeutung. Sie wird zur "negative(n) Mystik der gottlosen Zeiten", die dem Dichter erlaubt, die Substanzlosigkeit einer gottverlassenen Welt und das "Nicht-wissen-Können" zu erblicken und zu begreifen. Der Dämon der Ironie wird zum wesentlichen Instrument der dichterischen Weltbeschreibung und begründet die Objektivität des Romans.

Einzelnachweise

  1. Georg Lukács, Die Theorie des Romans. Eine geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik, München 1994, S. 79.