Newton'scher Dämon

Aus Daimon

Ausschnitt einer alchemistischen Aufzeichnung von Isaac Newton.[1]

Isaac Newton (1643 – 1727), der in seiner Philosophiae Naturalis Principia Mathematica den Grundstein der klassischen Mechanik legte, war in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit gegen jede Form der Spekulation: "Hypotheses non fingo!" ("Ich stelle keine Spekulationen an!") Umso überraschender sind seine alchimistischen Experimente, in denen er den vegetativen Geist, den Daimon des Lebens zu isolieren versuchte. Er stellte sich diesen Geist als "außerordentlich feines und unvorstellbar kleines Teilchen" vor, ohne dem "die Erde tot oder inaktiv wäre". Der Geist durchdringt alle Körper und Substanzen und ist selbst im Licht zu finden. Newton war nicht nur überzeugt, dass die Welt göttlichen Ursprungs ist, er ging auch von einer universellen göttlichen Einflussnahme auf das Weltgeschehen aus. Bereits in frühen Jahren, ab 1669, beschäftigte er sich mit Alchemie, glaubte aber nicht an personifizierte Dämonen oder Geister. Dämonen, Hexen und Teufel waren für Newton wie für seine Zeitgenossen Robert Boyle oder Thomas Hobbes Teil des Volksglaubens und der kirchlichen Propaganda. Newton entwickelte eine eigenständige Dämonologie, die dem griechischen Daimon näher stand als der christlichen Dämonenlehre. Besessenheit und Dämonie waren für ihn nicht ontologisch, sondern eine heidnische Interpretation von Krankheiten, die er als Bibelexeget mit Idolatrie gleichsetzte: "An Idol is nothing in the world, a vanity, a lye a fictitious power."[2] Die eigentlichen Geister und Dämonen waren Teil der göttlichen Natur: "Newton's God acted in time and with time, and since He was so transcendent, He required for His interaction with the created world at least one intermediary agent to put His will into effects. Just such an agent was the alchemical spirit, charged with animating and shaping the passive matter of the universe."[3] Neben dem alchemistischen Geist, spekulierte Newton über weitere Dämonen, die in der Materie und ihren Gesetzen wirken und Vegetation, Kosmogonie, Licht, aber auch psychische Vorgänge wie Vorahnung und Prophetie betreffen. Selbst Schwerkraft dachte er vor seiner berühmten Formulierung der Gravitationstheorie in Philosophiae Naturalis Principia Mathematica als etwas, das von Engeln herumgetragen werde.[4] Die über Entfernungen wirksamen Kräfte wie Gravitation und Magnetismus bedurften, wie im 17. Jh. weit verbreitet, einer animistischen Erklärung.


Einzelnachweise

  1. Quelle: R. D. Flavin, Newton, Bentley and Kant: The Alchemist, the Humanist and the Gnostic
  2. Isaac Newton, Keynes MS 7, S. 2.
  3. Betty Jo Teeter Dobbs, The Janus faces of genius. The role of alchemy in Neton's thought, Cambridge 2002, S. 13.
  4. Simon Schaffer: "Comets & Idols: Newton's Cosmology and Political Theology", in: Paul Theerman und Adele F. Seeff (Hg.): Action and Reaction, Newark 1993, S. 206-231.