Manifest

Aus Daimon

Walter Serner, Letzte Lockerung: Manifest Dada. Hanover: Paul Steegemann, 1920.

Das Manifest (von lat. manifestus, handgreiflich gemacht) ist eine literarische Gattung, die historisch zuerst als politische Kampfschrift, ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. als literarisch-künstlerische Proklamation Verbreitung findet. Manifeste der bildenden Kunst, die oft mit der Konstitution von avantgardistischen Ismen in Verbindung stehen (Futurismus, Dadaismus, Surrealismus), werden ab dem beginnenden 20. Jh. zu einem eigenständigen Stilmittel innerhalb modernistischer Strömungen. Das Manifest fungiert als programmatische Schrift bestimmter Absichten:

  • Gründungsgestus einer Kunstrichtung oder Künstlergruppe mit dem Zweck einen Stil zu etablieren, eine polemische Dissidenz oder eine Vision zu proklamieren
  • Zuschreibungskonzept für künstlerisch (ideologisch) Gleichgesinnte und damit Schaffung einer kollektiven Identität für eine Künstlergruppe
  • kritische Stellungnahme zu gesellschaftlichen und kulturellen Konditionen, insbesondere jenen, die von Politik und Wissenschaften geprägt sind
  • Medium der historische Ausdifferenzierung (etwa in Form einer Ablehnung der Vergangenheit oder der Entwicklung von Utopien und Zukunftsprojektionen)
  • Medium der Reflexion und Diskursinstrument fachlicher Auseinandersetzung
  • Rezeptur, Handlungsanweisung oder Algorithmus zur Herstellung von Kunstwerken

Manifeste operieren als kulturelle Programme, die ein (meist offenes) Regelsystem entwerfen, das von ideologischen und ästhetischen Forderungen bis hin zu konkreten Verfahrensweisen zur Produktion künstlerischer Werke reichen kann. In diesem Sinn schafft jedes Manifest einen künstlerischen Daimon, der ein politisches Bewusstsein, ein Kunstwollen oder die konkrete Herstellung von Werken bezweckt und regelt.