Trepanation

Aus Daimon

Neolithikum

Trepanierter Schädel von Pritschöna, ca. 5500–2300 v.d.Z. Die verheilten Wundränder belegen, dass der Patient die Operation überstanden hat.

Die Schädeltrepanation (griech. trypanon bohren) ist der älteste belegbare chirurgische Eingriff, der durch Schaben, Bohren oder Schneiden vorgenommen wurde. Schädelfunde in Südamerika und Europa belegen, dass Trepanationen ab der Jungsteinzeit aus medizinischen Gründen gegen Epilepsie und chronische Kopfschmerzen durchgeführt wurden. Eine religiöse Erklärung ist, dass Dämonen durch die geschaffene Öffnung entweichen oder umgekehrt positive Geistwesen in die Personen eindringen können. Die Überlebensrate wird aufgrund der Kallusbildung an den Knochenrändern der Fundstücke auf 55 - 75 % geschätzt.

Abendländische Tradition

Hieronymus Bosch, Der Steinschneider, um 1485. Prado, Madrid

In der Antike beschreibt der griechische Arzt Hippokrates (450–370 v.d.Z.) Bohrgeräte zur Schädelöffnung. Die Trepanationsbohrer verkürzten den Eingriff, erhöhten aber die Verletzungsgefahr der Hirnhäute. Das Christentum verbot im frühen Mittelalter Trepanationen an lebenden Menschen. Erst ab dem 13. Jahrhundert wurde wieder trepaniert. Man berief sich u.a. auf die Erfahrung des griechischen Arztes Claudius Galenos (129–199 n.d.Z.), der die Öffnung des Gehirns als nicht zwingend tödlich beschrieb. Mittels Trepanation sollte der "böse Stein der Fallsucht" entfernt werden, der für die Ursache der Epilepsie gehalten wurde. Bis ins 18. Jh. gab es "Steinschneider" aus der Bader- und Barbiergilde, die als fahrende Quacksalber den Patienten Steine, Metall oder Tiere aus dem Kopf schnitten. Im Bild Der Steinschneider verspottet Hieronymus Bosch die meist tödliche Praxis der Trepanation, indem der Arzt mit einem umgekehrten Weisheitstrichter als Narr dargestellt wird.

20. Jahrhundert

Amanda Fielding bei ihrer Selbst-Trepanation in der Filmdokumentation Heartbeat in the Brain 1970.
Installation eines Brain-Computer Interface der Firma Guger Technologies am offenen Schädel.

Bei den Kisii in Kenia und den Kuria in Tansania wurden Trepanationen bis zum offiziellen Verbot regelmäßig durchgeführt. Gelegentlich wird bis heute die Trepanation von Medizinmännern bei chronischen Kopfschmerzen, Hämatomen, Epilepsie und aus magischen Galubensvorstellungen heraus in Fällen dämonischer Besessenheit angewandt.

In den 1960er Jahren verbreitete der Amsterdamer Medizinstudent Bart Huges die Theorie, dass durch Trepanation eine Hirndruckveränderung und damit eine Bewusstseinssteigerung erreicht werden könne. Huges suchte die durch LSD-Experimente gewonnenen Erfahrungen physisch und psychisch dauerhaft zu implementieren. Die Bohrung eines Schädellochs sollte über eine vermehrte Durchblutung und Zuckerversorgung des Gehirns das Bewusstsein weiten. Da der chirurgische Eingriff von Ärzten nicht durchgeführt wurde, kam es zu Fällen von Selbst-Trepanation, wie Amanda Fielding im Film Heartbeat in the Brain vorführt.

Bereits im 19. Jh. spekulierten Physiologen über die direkte Vernetzung des Gehirns mit Maschinen. Nerven wurden zu Synonymen für Elektrokabel, die beliebige Impulse leiten können. Eine Vernetzung zwischen Mensch und Maschine durch ein Trepanationsloch beginnt sich aber erst seit Ende des 20. Jhs. medizinisch und computertechnisch zu realisieren. Ein Brain-Computer-Interface (BCI) oder Gehirn-Computer-Schnittstelle schafft eine direkte Verbindung zwischen dem Gehirn und einem Computer. Dazu wird der Patient trepaniert, um mittels implantierter Elektroden eine Verbindung zu den elektrischen Aktivitäten seines Gehirns herzustellen. BCIs werden bei Querschnittsgelähmten zur Abnahme der neuronalen Signale oder zur Tiefenhirnstimulation bei Epilepsie, Dystonie oder Parkinson verwendet. Versuchsweise kommen BCIs auch zur Behebung von psychischen Krankheiten zum Einsatz.

Weblinks

Trepanation bei den Gusii und Kuria (english)

International Trepanation Advocacy Group

Interview with Bart Huges: The Hole to Luck (english)

The First Commercially Available Brain Computer Interface