Eros

Aus Daimon

Der göttliche Eros

Michelangelo Merisi da Caravaggio, Amor Vincit Omnia, 1601-02, Öl auf Lw., 191 x 148 cm, Gemaeldegalerie, Berlin
Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse

(emk) Eros (griechisch Ἔρως) bezeichnet in der griechischen Mythologie einen Gott oder Dämon der begehrlichen Liebe, die von der freundschaftlichen, philía (φιλíα), und der göttlichen, agápē (αγάπη), abzugrenzen ist. Ihm entspricht das römische Äquivalent Amor, auch Cupido (lat. Begierde) genannt. In der Theogonie des Hesiod wird Eros in die griechische Mythologie als der Schönste unter den Unsterblichen eingeführt. Als einer der fünf ersten Gottheiten entsteht Eros unmittelbar nach dem Chaos und wirkt als universelle Urkraft in der Entwicklung des Kosmos, um Neues zeugend hervorzubringen und Bestehendes zusammen zu halten. In der Kunst wird Eros seit dem Hellenismus vergleichbar den Engeln oder Putten in der christlichen Tradition als halbwüchsiger Knabe mit Flügeln sowie den Attributen Peitsche, Pfeil und Bogen dargestellt. Seine kindliche, unschuldige Gestalt veranschaulicht weniger sein Alter als vielmehr eine pädophil anmutende Begierde. "Wenn er auch wie ein Knabe aussieht, so ist er doch älter als Kronos und hat unbeschränkte Macht über Götter und Menschen."[1]

Neben seiner Verbildlichung von Lust und Begierde operiert Eros als dämonischer Zu- und Verteiler, der schicksalhaft über Menschen bestimmt. Die Pfeile wirken als Injektionen, die Körper und Psyche infizieren und einem konditionierenden Triebprogramm unterwerfen: Amor vincit omnia (Amor besiegt alles). Ist die Spitze aus Gold, ist es um die Infizierten geschehen, ist sie aus Blei, werden sie nie zueinander finden. Die Wirkung des Eros liegt in seiner verbindenden Kraft zwischen Menschen, aber auch zwischen Welten und Ideen sowie Leben und Tod: "Warum heißt Eros nicht ein Gott, sondern ein großer Dämon? Was ist das Gemeinsame von Daimon, Daimonion, Eros? Sie alle bezeichnen nicht ein vollkommenes Sein, vielmehr Bereiche, Bewegungen, Mächte, welche zu solchem Sein hinüberführen. Auch Eros gehört der Welt der 'Metaxy', bedeutet einen Übergang zu einem Jenseits der Seele in einem doppelten Sinne, daß er einmal das Ich und das Du im Zwiegespräch verbindet, dann sie miteinander zum Eidos emporhebt."[2]

Platonischer Eros

Sokrates nennt im platonischen Symposion Eros einen Daimon, ein zwischen Mensch und Gott vermittelndes Wesen und verweist mit dieser Bezeichnung auf jene kosmologische Macht, deren Wirkung man verspüre, ohne sie einem konkreten Kult zuweisen zu können.[3] Der platonische Sokrates beruft sich in seinen philosophischen Erläuterungen auf Diotima, die weise Frau aus Mantinea.[4] Sie spricht von einem Mittlerwesen, das zwischen dem Menschlichen und Göttlichen angesiedelt ist, einem Daimonion. Aus Diotimas Sicht impliziert Eros die menschliche Sehnsucht nach Schönheit, Vereinigung und Zeugung und steht für eine erotische Energie, die das gesamte Leben umfasst. Sokrates geistiger Schau entsprechend steht der kosmische Eros für den philosophischen Aufstieg zur "Idee des Schönen an sich.[5] Eros fungiert somit als Bote und Überbringer eines göttlichen Funkens, der im Menschen das Verlangens nach Unsterblichkeit sowie das "Streben nach dem vollkommen und darum dauernd Schönen"[6] weckt, um als "welterzeugende Liebe"[7] in Erscheinung zu treten.

Matching: Algorithmen der Liebe

Jeffrey C. Tarr im Büro der Partnerbörse Operation Match

Über mathematische Matching-Verfahren rationalisiert sich der Eros. Die Zu- und Verteilung von Liebe und Leidenschaft erfolgt dabei algorithmisch. Online-Partnervermittlungen nutzen Persönlichkeitsprofile, um über Schnittmengen von Gewohnheiten und Interessen charakterliche Kompatibilitäten abzuleiten. Zum Teil werden auch Profilbilder zum Abgleich äußerlicher Merkmale genutzt.

In den 1960er Jahren entwickelte Jeffrey C. Tarr den ersten Liebes-Algorithmus bis zur Marktreife. Tarr studierte in Harvard Mathematik und verteilte im Sommersemester 1965 Fragebögen, die er von einem Computer auswerten ließ. Obgleich er sein eigenes Singledasein nicht beenden konnte, vermittelte das Programm sechs Paare. Vom Erfolg bestätigt gründete er im selben Jahr mit Douglas Ginsberg die Partnerbörse Operation Match, die kurz darauf bereits 90.000 zahlende Mitglieder hatte und 270.000 Dollar Umsatz machte. In Deutschland entwickelte der Psychologe Hugo Schmale zur selben Zeit für das Jugendmagazin Twen ein Testverfahren, das die Basis für die 2000 gegründete Online-Partnervermittlung [parship.de] bildet.

Obgleich die Algorithmen von Partneragenturen variieren, liegt ihr Fundament im Heiratssatz. Der auf Philip Hall zurückgehende mathematische Satz aus dem Jahr 1935 baut auf der Theorie der endlichen Mengen auf und gilt als Ausgangspunkt der Matching-Theorie in der Graphentheorie. Eros ist damit algorithmisch "introszendiert" und agiert nicht länger im Olymp der Götter. Keine Engelsflügel und Pfeile, sondern nüchterne Zahlen begründen die kybernetische Romantik:

1 T := ∅ {leere Menge}

2 while es noch einen Herrn h* in H gibt, der nicht in T vorkommt do

3 verteile von h* ausgehend schrittweise Zettel wie oben angegeben;

4 if hierbei erhält eine Dame d*, die bisher noch nicht in T vorkommt, einen Zettel then

5 ermittle die Kette d* = d'n - h'n - d'n-1 - h'n-1 - ... - h'2 - d'1 - h'1 = h*;

6 entferne (h'n, d'n-1), ..., (h'3, d'2), (h'2, d'1) aus T;

7 füge (h'n, d'n), (h'n-1, d'n-1), ..., (h'2, d'2), (h'1, d'1) zu T hinzu;

8 else entferne h* aus der Menge H end if;

9 endwhile;

10 return T; [8]

Einzelnachweise

  1. Vgl. Martin P. Nilsson, Geschichte der griechischen Religion, Die Religion Griechenlands bis auf die griechische Weltherrschaft, Bd. 1, München, 1992, S. 621ff.
  2. Paul Friedländer, Platon. Seinswahrheit und Lebenswirklichkeit, Bd. I, Berlin 1964, S. 58
  3. Vgl. Albrecht Dihle, Griechische Literaturgeschichte, 3. Auflage, München, 1998, S. 214.
  4. Symposion 210d.
  5. Symposion 210d.
  6. Albrecht Dihle, Griechische Literaturgeschichte, 3. Auflage, München, 1998, S. 214. Vgl. weiters Gerhard Krüger, Einsicht und Leidenschaft: das Wesen des platonischen Denkens, 6. Auflage, Frankfurt am Main, 1992, S. 215ff.
  7. Vgl. Karl Kerényi, Humanistische Seelenforschung, Stuttgart, 1996, S. 214.
  8. Volker Claus, Volker Diekert, Holger Petersen, Partnerschaftsvermittlung

Weblinks

Hesiod: Theogonie

Diotima