Krankheit
Aus Daimon
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Inhaltsverzeichnis
Mythos
Im Volksglauben und in Religionen spielen Dämonen als Ursache und Überbringer von Krankheiten eine Rolle. Sie befallen Psyche und Organe, um sich parasitär einzunisten, übernehmen die Kontrolle des vermeintlich Besessenen oder vollziehen eine Strafe der Götter. Die Anzahl der Krankheitsdämonen in den unterschiedlichen Traditionen und Kulturen ist beinahe "epidemisch" und regional an die natürlich vorkommenden Krankheiten gekoppelt. Dämonen existieren demnach in Nahrungsmitteln, Wasser, Luft und Wind und sind oft entsprechend mit Tabus oder sozialen Verhaltensregeln verbunden. Krankheiten wie Epilepsie oder Migräne werden kulturübergreifend mit Dämonen assoziert und wurden seit der Jungsteinzeit durch Trepanation therapiert.
In babylonischer Vorstellung greifen Dämonen einen bestimmten Körperteil an, etwa Alû die Brust, Gallû die Hand, Assukû den Kopf, Namatarû die Kehle, Uttukû die Schulter.[1] Um sich davor zu schützen gab es Amulette und Zaubersprüche, die mit Schiptû, Beschwörung, beginnen, um den Dämon auszutreiben. Die Verbindung zwischen Dämonen und organischen Defekten zieht sich über die jüdische Gnosis bis in die frühchristliche und mittelalterliche Medizingeschichte. Nach Gershom Scholem leitet sich der Name des Dämons Astaribo-Astriga-Striga von hystera ab. Er wird dem Mutterschoß (hystera) gefährlich.[2]
Im Alten Testament werden Dämonen mit Götzen gleichgesetzt. Wer Götzen anbetet wird zur Strafe von Dämonen befallen und erleidet eine Geisteskrankheit. Die griechische Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) verwendet das Wort daimonion in 5. Mo. 32,17 und Ps. 106,37 für „Götze“; im Neuen Testament wird daimonion dagegen mit Dämon übersetzt. Formen geistiger Verwirrtheit und Erkrankung galten als Indiz der Besessenheit durch einen Dämon. Nachdem „von Dämonen Besessene“ geheilt waren, galten sie als „vernünftig“ (Mk. 5,15; Lk. 8,35). Wundersame Heilungen waren Exorzismen: "Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm, und er trieb die Geister aus durchs Wort (...) auf daß erfüllt würde, was durch Jesaja gesagt ist, den Propheten, welcher spricht: 'Er hat unsere Gebrechen weggenommen und die Krankheiten getragen'" (Mt. 8,16.17). Heilung und Dämonenaustreibung werden in Folge zur christlichen Mission: "Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen" (Mt. 10,1; siehe auch Mt 10,8; Mk 3,14-15; 6,7.13; Lk 9,1; 10,17.18-20). Umgekehrt wird Jesus von Ungläubigen als verrückt bezeichnet und vorgeworfen, er sei von einem Dämon besessen: "Er hat einen Dämon und ist von Sinnen" (Joh. 10,20; 7,19.20; 8,52).
Neurowissenschaft
Psychische Erkrankungen und damit verbundene Persönlichkeitsveränderungen wurden historisch mit Besessenheit in Verbindung gebracht und gingen oft mit sozialer Ausgrenzung einher. Bei neuronalen Defekten, ausgelöst durch Tumore, Unfälle oder chirurgische Eingriffe treten aber auch Phänomene auf, die Patienten subjektiv als Entfremdung, Spaltung oder dämonische Infestation empfinden. Wahnvorstellungen lassen sich meist auf einen Schaden der rechten Gehirnhälfte zurückführen, wo sich sich die Zentren für die emotionale Vertrautheit mit Personen und Dingen sowie die Areale der Selbsterkennung befinden. Es kommt zu Störungen bei der Ich-Konstruktion, welche die rechte Hemisphäre auszugleichen versucht, indem ein "narrativer Dämon" im Sprachzentrum Konfabulationen erfindet, um die heterogenen Reize in eine homogene Geschichte zu verstricken. Krankheitsbilder der Anosognosie oder auch des seltenen Capgras-Syndroms (Doppelgänger-Syndrom) und des Alien-Hand-Syndroms, bei dem Patienten empfinden, dass eine fremde Macht oder Dämon ihre Hand steuert und kontrolliert, können die Folge sein.
Weiters können Medikamente, Drogen, Hormone, Neurotransmitter, Magnetfelder und dergleichen mehr Wahrnehmung beeinflussen und die Empfindung von Besessenheit auslösen. August Strindberg notierte in seiner „Inferno-Krise“ übernatürliche Erscheinungen und "seltsame Zufälle" in sein Okkultes Tagebuch und glaubte Zeichen und Botschaften „unbekannter Mächte“ zu empfangen.[3] Er litt an einem Überschuss an Dopamin, was insbesondere in der rechten Gehirnhemisphäre zu semantischen Assoziationen führt, die als Apophänie bezeichnet werden. In zufälligen Erscheinungen wie Blätter, Äste, Wolken oder Geräuschen tauchen Gesichter und Stimmen auf, die als übernatürliche Phänomene oder dämonische Erscheinungen interpretiert werden. Aus Unordnung entsteht zwanghaft unerklärlicher Sinn, der über okkulte Geschichten in eine narrative Struktur gebracht wird.
Einzelnachweise
Literatur und Weblinks
Heinz Lucas, Ceylon-Masken. Der Tanz der Krankheitsdämonen, Kassel 1958.
Andrew Solomon, The Noonday Demon. An Atlas of Depression
Goedart Palm, Herr, gib uns unser tägliches Dopamin heute! Zur neuronalen Biochemie des Okkulten