Internet

Aus Daimon

(pch) Weil es uns daran erinnert, wer wir selbst in diesem Unternehmen sind – Menschen die sich untereinander austauschen – gefällt es uns, vom Internet als einem Medium der Kommunikation zu sprechen. Wir ziehen diese Sichtweise des Internets als unüberschaubare Menge zwischenmenschlicher Beziehungen der Erklärung desselben als Ansammlung nummerierter Geräte, Gebäude, Prozessoren, Router, Kabel usw. vor.

Im Grunde also Sprache, so unsere vorwegnehmende Präferenz, unser Vorurteil; in weiterer Folge freilich dann auch nichts Neues: Briefe, Bücher, Zeitungen, Radio, Fernsehen kennt man bereits aus dieser Sicht. Auch sie verteilen Informationen, „Wir berichten mehrmals täglich über das Geschehen der Welt,“ auch sie teilen Informationen zu, „Das ist etwas, das Du wissen musst!“ Kein Wunder, dass die Seiten dieser Institutionen regelmäßig zu den im Internet am meisten aufgeschlagenen zählen. Um sie zu finden, genügt es zu wissen wie sie heißen, ihr Name ist zugleich ihre Adresse. Im Fachjargon heißt dieser Name Domäne: Wegen ihrer Tätigkeit – des Zuteilens und Verteilens – heißen uns diese Domänen von nun an hier Dämonen.

Ausgestattet mit diesem neuen Wort, dieser neuen Brille, tut sich uns gleich ein ganzer Zoo auf: Dämonen gibt es im Internet zu Haufe: nytimes, yahoo, wikipedia, myzel, ebay, facebook, um ein paar gängige zu nennen – und die gegenwärtig Überdämonin von allen: google. Namen und große, teure Namen. Täglich erstellen sie Millionen von Verzeichnissen, teilen den Suchenden ihr Wissen zu, verteilen kaufwillige Kunden an verkaufswillige Händler, stellen Beziehungen her. Social Software, aufs Internet bezogen, ist uns ein Pleonasmus.

Da ist es klar, dass sich diese Dämonen vor Einflüssen schützen müssen. Ebay, am stärksten in der real existierenden Marktwirtschaft wurzelnder Dämon, ächzt unter dem eigenen Apparat, der sich eben so ansammelt, wenn man alles und jedes vermitteln möchte – und Herr im eignen Hause bleiben. Es geht so weit, dass wir, die Kommunizierenden, jederzeit meinen, es selbst tragen zu müssen, dieses Gewicht: Formulare, Prozeduren, Phasen und noch einmal Formulare, Prozeduren, Phasen.

Da ist es klar, dass die Einflussnahme auf ihre Tätigkeiten ein blühendes Geschäft ist. SEO, Search Engine Optimization, ist dabei kaum weniger anrüchig wie SPAM: man bestaune die Linkfarmen, die auf ausgedienten Dämonen wuchern und deren verbleichende Namen zu Ende nutzen. Dem Dämon einflüstern, seine Entscheidungen steuern und ihn für sich arbeiten lassen ist ein nachvollziehbarer Wunsch, den man sich nur zu gerne auf moralisch vertretbarere Weise erfüllen würde als bei gaming google.

Da kündigt sich ein Dämon an, der sie alle in den Schatten stellen möchte: das Semantic Web. Omniabsent würde er omnipotent alle Verteilungsprobleme im Internet regeln. Ein Maxwell’scher Dämon der Information sozusagen, den Kontext betrachtend Stichworte auf ihre Relevanz bewertend, in der Ontologie eines kontrollierten Vokabulars ankernd, diese künstlich intelligent in einem Netz kombinierend fangen, das die kürzesten Wege zur gelungenen Kommunikation von allein erfindet.

Derweil kann nur ein Leviathan diesen quasi Monodaimonismus errichten. Damit er entsteht, müssen so gut wie alle mitarbeiten und das aus freien Stücken. Noch fällt uns das Warten aber nicht schwer, zu sehr haben wir uns damit abgefunden, dass unser Wissen esoterisch bleiben wird, dass wir es nicht oder nur im kleinen Kreis weitergeben werden können: weil Vermittlung Zeit braucht und Verständnis reifen muss; weil eine jede von uns ihren eigenen Kopf hat und ein jeder den seinen; weil was uns beschäftigt auch nicht immer an der großen Glocke hängen will. Was ein Dämon, von dem wir lernen wollen und dem wir uns anvertrauen möchten?